heek_journal - page 162

von Josef Wermert
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die heute der Öffentlichkeit übergebene
Stele erinnert an das einstige Leprosen- oder Klepperhaus und damit auch an jenes
Kind Anna Delves – sie erinnert an eine Stätte jahrhundertelangen menschlichen
Leids.
Lepra (auch Aussatz genannt) ist eine seit Jahrtausenden nachweisbare und erst
in jüngster Zeit heilbare bakterielle Infektionskrankheit. Das Wort leitet sich von grie-
chisch
lepros
‚schuppig, aussätzig‘ ab und bezieht sich auf das Krankheitsbild mit
fleckiger, schuppiger Haut. Hungerkrisen, einseitige Ernährung und mangelnde Hygi-
ene begünstigen die Übertragung dieser „Krankheit der Armut“.
Die Lepra breitete sich im Hochmittelalter in Nordeuropa im Zuge einer sich ver-
dichtenden Bevölkerung stark aus. Vor allem in der Nähe der Städte entstanden so
genannte Leprosorien, Leprosen-, Melaten- oder Klepperhäuser, in denen die von
der Krankheit befallenen Menschen isoliert wurden. Eine hier verbreitete Bezeich-
nung für derartige Leprosenhäuser war „Klepperhaus“; sie rührte von der (Siechen-)
Klapper her, einem Geräuschinstrument, das die Leprosen mitzuführen hatten, um
andere, gesunde Menschen vor sich zu warnen. Bereits der kleinen Anna Delves war
1610 aufgetragen worden, zukünftig eine solche Klapper mit sich zu führen. Fromme
Stiftungen, öffentliche Almosenvergabe und das Betteln bildeten die kargen Einnah-
mequellen der oftmals jahrelang qualvoll Dahinsiechenden. Sie waren von der
menschlichen Gesellschaft regelrecht ausgeschlossen. Erst seit dem 16./17. Jahr-
hundert führten dann in Europa hygienische und medizinische Fortschritte, veränder-
te Ernährungsgewohnheiten und die strenge Isolierung der Kranken zum allmähli-
chen Erlöschen der Lepra.
Als letzter Leprose des hiesigen Hauses wird 1666 Matthias Kemner genannt.
Nachdem er vier Jahre hier im Klepperhaus fromm, ehrlich und ohne Klagen gewohnt
hatte, wurde er in die materiell und geistlich besser ausgestattete Heilig-Kreuz-
Leprosenbruderschaft vor Coesfeld aufgenommen. Das Haus hier diente seitdem
aber weiter als Armenhaus. Letzte Bewohner waren die 1789 verstorbenen Eheleute
Jan Bernd Kemner, die nach ihrem Wohnort auch „
Kleppers Jan Bernd
“ genannt
wurden. Um diese Zeit wurde das Klepperhaus abgebrochen.
Nach dem Aussterben der Stifterfamilie von Keppel 1729 war die so genannte
Nienborger Leprosenarmenstiftung bereits mit dem Heeker Armenfonds vereinigt
worden; die Aufsicht über diesen ging dann Anfang des 19. Jahrhunderts vom Hee-
ker Pfarrer auf die politische Gemeinde Heek über.
Standort des so genannten Nienborger Leprosenhauses war aber nicht Nienborg,
sondern die Averbecker Mark im Kirchspiel Heek. 1555 wird angegeben, das Haus
liege „
an de Bergen
“, 1571 bei der „
Woeste
“, um 1670 „
by der Woest in den Bergen
und 1790 im „
Klepperbülten
“ in Averbeck. Der genaue Standort muss im Bereich der
heutigen Fluren „
Kloppenkamp
“ / „
Klöppelkamp
“ und „
Klöppelgoorn
“ zu suchen sein.
Ersterer, 1790 auch „
Leprosenarmenkampff
“ genannt, ist noch heute im Eigentum
der Gemeinde Heek als Rechtsnachfolgerin der Heeker Armenstiftung. Die Bezeich-
nung „
Kloppenkamp
“ für dieses ehemals kümmerliche Ackerland zum Unterhalt der
Leprosen – heute mit Wald bestanden – stellt damit eine letzte Reminiszenz an die-
ses ehemalige Klepper- oder Leprosenhaus dar.
Die abseitige Lage des Hauses ist für Leprosenhäuser typisch. Die Bezeichnun-
gen „in den Bergen“ bzw. bei der „Woeste“ verweisen bereits auf das einst abgelege-
ne, unwirtliche Dünengelände innerhalb der früheren Averbecker Mark – in naher
Entfernung aber zum Liesengraben für die Wasserversorgung. Charakteristisch ist
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