von Dr. Joseph Schwieters
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mers mit Blick auf den Kirchplatz trat und mich dazu holte. Zunächst hörte ich nur
die Klänge der Blaskapelle, die man trotz des damals noch freien Durchblicks bis
zum Krankenhaus noch nicht sehen konnte. Als ich die Musiker dann endlich sehen
konnte, kam fast gleichzeitig die Prozession mitsamt dem Kreuz langsam auf uns zu.
Ich war überwältigt von der Prozession und der frühlingshaften Stimmung mit Vogel-
gezwitscher! Das habe ich bis heute nicht vergessen (siehe auch meinen Artikel im
Heimat und Rathausspiegel=HRS-12/1996 S. 1763 Osterbrauchtum).
An den „Osterumgang“ habe ich noch eine weitere Kindheitserinnerung. Inzwi-
schen dürfte ich etwa 12 Jahre alt geworden sein. Als Messdiener konnte ich nun die
Prozession, die immer am Ostersonntag morgens um 5 Uhr begann, aus einer ande-
ren Perspektive miterleben. Ich gehörte nämlich zu den Messdienern, die in der Kir-
che hinter dem verschlossenen Hauptportal auf den Pastor mit dem Kreuz warteten.
Direkt an der Kirchentür standen 2 ältere Messdiener, die sich um das Öffnen der
Türe kümmern mussten. Ich gehörte zu einer Gruppe von 4 Messdienern, die an-
schließend Aufstellung genommen hatte. Jeder von uns hielt eine Schelle mit 4 Ein-
zelglöckchen in der Hand. Der damalige Küster und Organist Bernhard Steinhoff
(geb. am 17.10.1885 in Heek, gest. am 05.05.1968 in Heek, 56 Jahre Küster und
Organist an der St. Ludgerus Pfarrkirche in Heek), der allgemein „de Köster“ genannt
wurde, hatte uns einige Anweisungen gegeben. Wir mussten, sobald sich das Kir-
chenportal öffnete, sofort kräftig zu schellen beginnen und schellend vor dem Pastor
bis zum Altar hergehen.
Beim Warten hinter der noch geschlossenen Kirchentüre lag eine gewisse Span-
nung in der Luft. Plötzlich rief „de Köster“ auf Platt: „Ruhig Junges!“ Nach kurzem
Horchen merkte er, wie der Pastor und „Manns Opa“ (Heinrich Gausling, Kirchplatz
4, gest. mit 83 Jahren), der nun schon seit Jahren das Kreuz beim Osterumgang
trug, zum ersten Mal die Kirchenstufen hoch schritten. Unmittelbar danach hörten wir
alle, wie der Pastor auf Latein sang: „Lumen Christi“. „De Köster“ antwortete hinter
der geschlossenen Tür ebenfalls singend mit: „Deo gratias“. Während anschießend
mit dem Kreuz das erste Mal an die Kirchentür geklopft wurde, rief „de Köster“ an uns
gewandt besorgt: „Junges, noch nich lossmaken!“
Als sich nach einem weiteren Kirchenumgang der lateinische Gesang und das
Klopfen mit dem Kreuz wiederholte, rief „de Köster“ gleich zweimal: „Nich lossmaken,
nich lossmaken!“ Angespannt lauschten wir, als der Pastor nach dem 3. Umgang
wieder das „Lumen Christi“ sang. Sofort nach dem von ihm gesungenen „Deo gra-
tias“ begann „de Köster“ zu rufen: „Junges, nu upgepaßt!“ Dann hörten wir zum drit-
ten Mal das Klopfen mit dem Kreuz, dem unmittelbar das Kommando vom „Köster“
folgte: „Nu loss!“ Die beiden älteren Messdiener machten jetzt mit einem Ruck die
linke Türhälfte offen, während „de Köster“ die rechte Türhälfte gleichzeitig aufriss und
danach mit Riesensprüngen, die ich ihm gar nicht zugetraut hätte, die Treppe zur
Orgelbühne hinauf hechtete.
Wir Messdiener setzten uns in Bewegung und betätigten die Viererschellen mit al-
ler Kraft. Wir waren in der Kirche noch keine 10 Meter gegangen, als „de Köster“
schon an der Orgel saß und diese unter Ziehung aller Register aufbrausen ließ. Wir
mussten mit dem kräftigen Schellen fast bis zur Erschöpfung durchhalten. Erst als
das Kreuz vom Pastor am Altar abgestellt war, durften wir aufhören.
In meinen bisherigen Schilderungen habe ich manche Erlebnisse nicht parat ge-
habt, die mir jetzt erst wieder eingefallen sind, wie z.B., dass ich im Alter von 13/14
Jahren selbst in die Kirchturmspitze geklettert bin. Nach Öffnen der Luke habe ich