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„… ist es bisher immer noch nicht gelungen,
die Unsitte [der] verbotenen Gebehochzeiten zu beseitigen.“
Ein langer Kampf gegen die Unsitte von „Gebehochzeiten“
von Heinz Schaten
Bei diesem Brauch hatte jeder Hochzeitsgast ein beträchtliches Geldgeschenk mit-
zubringen. Die jeweilige Gabe wurde genauestens in Listen aufgezeichnet, denn
dadurch erwarben die Hochzeitsgäste einen Anspruch auf eine gleichwertige Gegen-
leistung bei Hochzeiten in der eigenen Familie. Mit dem Geldgeschenk finanzierte das
Brautpaar nicht nur die Hochzeitsfeier, da die Beträge so groß waren, dass sie auch
noch für einen großen Teil sonstiger, mit der Heirat verbundenen Anschaffungen aus-
reichten. Bei einer großbäuerlichen Gebehochzeit in der Bauerschaft Düren bei Witten
wurden 1769 nicht weniger als 322 Reichstaler von 351 oft ebenfalls großbäuerlichen
Gästen eingenommen; dies entsprach dem Wert von 40 bis 50 Kühen. Eine eher be-
scheidene Gebehochzeit in Hattingen, deren Gästeliste 109 Namen verzeichnet, er-
brachte 1744 immerhin 73 Reichstaler. Die Ursprünge der „Gebehochzeiten“ liegen in
Westfalen offenbar im frühen 17. Jahrhundert. Die Obrigkeit hatte vor allem seit dem
18. Jahrhundert sehr häufig Probleme mit diesen Veranstaltungen. Sie galten unter
anderem als Ausgangspunkt für finanziell schlecht abgesicherte Ehen, sie führten an-
geblich zur Verschuldung der Gäste, förderten die Gewinnsucht und galten zudem als
Anlass für ausschweifende „Lustbarkeiten“, da hierbei auch getanzt wurde.
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Nach zahlreichen Verboten, die
nicht den gewünschten Erfolg zeigten,
schaltete sich am 3. Mai 1829 der
preußische König Friedrich Wilhelm
(Bildausschnitt) selbst ein:
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„Wir Friederich Wilhelm, von Gottes Gna-
den, König von Preußen pp.: Da nach den uns
erstatteten Anzeigen in mehreren Gegenden
der Provinz Westphalen die sogenannten Ge-
behochzeiten und ähnliche Schmausereien
und Festlichkeiten ungeachtet mehrfacher von
den früheren Landesherrschaften dagegen er-
lassener Verbote, noch immer fortbestehen,
solche aber wegen des verderblichen Einflu-
ßes derselben auf Wohlstand und Sittlichkeit
ferner nicht geduldet werden können, so ver-
ordnen Wir nach Antrag unseres Staatsministerium und nach vernommenen Gutachten unserer ge-
treuen Provinzial-Stände hierdurch folgendes:
1. Die Gebehochzeiten und alle bei Kindtaufen, Hausbauten und andere Veranstaltungen gewöhnliche
Schmausereien und Festlichkeiten, zu welchen nahe und entfernte Bekannte eingeladen, und bei wel-
chen von den Eingeladenen Geschenke dargebracht, auch noch hin und wieder aufgezeichnet oder vor
den Gästen bekannt gemacht zu werden pflegen, sind von der Publikation des gegenwärtigen Gesetzes
an, überall verboten.
2. Die Kontravention gegen dieses Verbot ist:
a) Derjenige, welcher die Gebehochzeit oder eine ähnliche Schmauserei veranstaltet hat, mit Fünf und
Zwanzig Thalern,
b) Diejenige Person, welche die Gäste dazu eingeladen – Zehn Thaler
c) Jeder Gast, welcher sich dabei eingefunden mit – Drei Thalern,
d) Diejenige Person, welche sich hat gebrauchen lassen, die Geschenke aufzuschreiben, oder zu ver-
lesen, mit – Zehn Thalern, endlich
e) Wenn die Schmauserei in einem Wirthshause abgehalten worden ist, der Gastwirt mit – Fünf und
Zwanzig Thalern Geldstrafe, welche zur Armen-Caße des Ortes fließt, zu belegen.
f) Diejenigen, welche zur Entrichtung der Geldstrafen unvermögend sind, sollen mit verhältnismäßiger
Gefängnisstrafe belegt werden.
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