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Die Merschweiden Verpachtung in Heek am 27. April 1900
Heek beschäftigte vor 1900 einen Kuhhirten, der die Kühe
auf 20 verpachteten Kuhweiden hütete
von Dr. Joseph Schwieters, Münster
Die alten Papiere meines Vaters sorgen auch bei mir immer wieder für
Überraschungen. So wusste ich bislang nicht, dass die Kuhweiden vermutlich über
viele Jahrzehnte immer nach dem gleichen Schema verpachtet wurden.
Des besseren Verständnisses wegen werde ich die Vorlage, die hierfür stets
verwendet wurde, nach Übertragung von der deutschen Schrift in die lateinische
(Übertragungsfehler sind nicht auszuschließen), wörtlich wiedergeben:
„Merschweiden Verpachtung am 27. April 1900
1 Die Kuhweiden werden öffentlich ab 1. Mai auf 6 Jahre meistbietend von heute ab bis zum 1. Oktober
1900 verpachtet, zu 20 Kuhweiden und eine für den Hirten.
2 Jede Kuhweide wird einzeln zur Verpachtung ausgesetzt, der letzt bietende ist und bleibt Anpächter.
3 Die Pachtgelder müssen am 1. November eines jeden Jahres mir endrichtet werden.
4 Zahlt Anpächter nicht in dem angsetzten Monat, so wird von jeder Mark 10 Pf. ekstra erhoben. Jede
Anmahnung kostet 20 Pf. und Mandatsgebühren werden nach der gesetzlichen Taxe erhoben.
5 Ist jemand mit Pacht oder Kaufgelder noch im Rückstande, so wird sein Geboth nicht angenohmen.
6 Jeder Anpächter hat sich einen annehmbaren Bürger zu stellen, der sich selbst als Schuldner ver-
pflichtet.
7 Abzüge von der Pacht, sei es durch Mißwachs oder Ueberschwemmung können nicht statfinden.
Sollte Schaden durch zu hohes aufhalten des Wassers von der Mühle vorkommen, so haben die
Anpächter sich an den Uhrheber des Schadens zu halten.
8 Schaden welche durch das Vieh entstehen sollte, sei es an der Chause oder anders wo hat der
Eigenthümer zu tragen, das Streuen der Maulwürfe zahlen die Anpächter.
9 Ratifikation bleibt vorbehalten, wogegen jeder Anpächter an seinem Gebothe gebunden bleibt.
Heek den 27. April 1900
Unterschrift Wittwe Schwieters“
Soweit die von meiner Großmutter mit Tinte geschriebene und unterschriebene
Ausschreibung. Nach der Unterschrift hat sie in einem Bleistiftvermerk weitere
Verpflichtungen der Pächter festgehalten, die sich z. B. auf das Einzäunen und Düngen
beziehen. Danach folgt eine Liste mit Namen der Pächter und Betrag der jeweils
gezahlten Pacht. Aber was meine Aufmerksamkeit in erster Linie erregt hat, waren die
letzten 3 Worte Ziffer 1 –
für den Hirten
Also hat die Merschweiden Verwaltung offenbar über viele Jahrzehnte und mehrere
Pachtperioden – dieser Zusatz befindet sich nämlich in allen vorherigen Vorlagen –
einen Kuhhirten beschäftigt. Das war für mich neu. Auch mein Vater hat das nie
erwähnt. Die Namen der Hirten waren selbstverständlich nach so langer Zeit heute
nicht mehr zu ermitteln. Aber fest steht, dass in jeden Jahre ein Kuhhirte als Entgelt
für seine Dienste eine Weide zur eigenen Nutzung erhalten hat. Wann der letzte
Kuhhirte beschäftigt wurde, konnte ich ebenfalls nicht ermitteln.
Aber dann entdeckte ich ganz oben auf der sonst unbeschriebenen Rückseite der
Vorlage folgenden kaum lesbaren Bleistiftvermerk: “Düing bekömt für jede Kuh hüten
6 M macht 120 M“. Dieser Vermerk bringt mich ein wenig durcheinander. Düing
bekommt 6 M für das Hüten 1 Kuh, Der Kuhhirte dagegen erhält nur 1 Weide zur
eigenen Nutzung, deren Pacht im Höchstfalle 25 M 30 Pf. (siehe Nr. 18 der Liste über
die Namen der Pächter und Höhe der Pacht mit Zahlungsvermerk) betragen hätte. Die
Zahl der von ihm zu hütenden Kühe schätze ich auf mindestens 40 Stück (auf jede der
20 Weiden 2 Stück). Also hat der Hirte doppelt so viel Kühe zu hüten wie Düing, erhält
aber nur ¼ von dessen Vergütung. Für dieses Missverhältnis habe ich bisher keine
plausible Erklärung, nach der ich weiter suchen werde, finden können.
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