Öffentliche Tanzlustbarkeiten in Nienborger Lokalen
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zu dem am 23. Nov. d.J. stattfindendem Markte von Nachmittags 4 bis 12 Uhr, vorzu-
tragen, in der Hoffnung, daß sie meinem Wunsche gemäß verfahren werden“,
aus-
sprach. Zur Begründung gab er an: „
Es ist dieses, ein schon seit Menschengedenken
bestehender Markt, und hat von jeher, an diesem Tage stets Tanzlustbarkeit stattge-
funden. Ferner findet hier sonst nie eine Tanzlustbarkeit statt, als am Kirmestage, was
einmal im Jahre ist, und an diesem genannten Markttage, also im Ganzen 2 Mal im
Jahre. Denn es ist hier in längeren Jahren weder Schützenfest noch Kriegerfest mehr
abgehalten worden. Dann ist mein Lokal in jeder Beziehung ordentlich eingerichtet und
hat von Seiten der Polizeibehörde noch nie eine Einschreitung stattfinden brauchen.
Ew. Hochwohlgeboren ersehen hierdurch, daß
hiesigen Ortes Tanzlustbarkeiten nicht zu oft statt-
finden. ... Mit aller Hochachtung, Ihr gehorsamster
B. Rohling“
Noch am selben Tage erschien beim Landrat in
Ahaus persönlich die Amalia Bilderbeck aus Nien-
borg im Auftrage ihre Mutter, der Wirtin Witwe Jo-
sephine Bilderbeck
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, und bat um die Genehmi-
gung zur „
Abhaltung von Tanzvergnügen am Jahr-
markttage den 23. bis Nachts 2 Uhr.“
Die Erlaubnis
hierzu war ihr vom Amtmann Freiherrn von Niebel-
schütz verweigert worden mit der Begründung, der
Termin sei nicht, wie vorgeschrieben, zu Beginn
des Jahres mit angemeldet worden, Das galt auch
für die geplante „Tanzlustbarkeit“ des Wirtes Ber-
nard Rohling, für die der Amtmann ebenfalls die
Genehmigung verweigert hatte.
Der Landrat, scheinbar ein wohlwollender
Mann, schrieb an den Amtmann zum Antrag der
Witwe Bilderbeck, das seinerseits Bedenken nicht
bestünden,
„falls solche dortseits bekannt, wollen
sie mich benachrichtigen.“
Zum Antrag Rohling
äußerte er sich ähnlich und bat bei Ablehnung dar-
über einen „
event. Bericht.“
Amtmann von Niebelschütz gab sich geschlagen. Was gäbe das für ein Gerede in
Nienborg, wollte er opponieren. Schließlich hatte der Landrat beide Anträge gutgehei-
ßen. Und das Wort eines Landrates galt etwas. Außerdem war er ja bei weiterer Ab-
lehnung der Gesuche gehalten, dem Landrat ausführliche Stellungnahmen dazu an-
zufertigen. Er entschied sich für den einfachen Weg. Königliche Verfügung hin oder
her. Hier kam vielleicht auch seine ihm zugeschriebene „überragende Faulheit“ zum
Vorschein.
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Rohling erteilte er die Erlaubnis zur Abhaltung von „Tanzlustbarkeiten“,
wie beantragt, bis 12 Uhr. Der Witwe Bilderbeck genehmigte er diese auch, jedoch nur
bis 12 Uhr, statt wie beantragt bis 2 Uhr. Eine Genugtuung für den Amtmann, wenn
auch eine sehr kleine.
Etwa neun Jahre später, am 25. Juli 1895, beantragte der Nienborger Gastwirt
Friedrich Stöcker beim Amtmann Waldemar von Niebelschütz am Sonntag, den 4. Au-
gust einen Erlaubnisschein zum Tanz in seiner Wirtschaft. Der Amtmann verwies ihn
auf die Verfügung des Landrates, wonach den Wirten die Pflicht auferlegt worden sei,
jeweils zu Beginn des Kalenderjahres anzuzeigen, an welchen Tagen des Jahres sie