heek - page 74

Eine Naturkatastrophe im Juli 1832 in Heek und Nienborg
3166
daselbst so feine Baumwollwaren gefertigt wurde, welche nach und nach das Leinen
verdrängte. So wurde unser Absatz nach jenen Landen von Jahr zu Jahr schlimmer
und die Verdienste so gering, daß wir mit betrübten Herzen unseren Hauptnahrungs-
zweig dahin sinken sehen mußten. Um nun unsere Existenz zu fristen, mußten wir zu
dem Ackerbau unsere Zuflucht nehmen, …“.
In Nienborg war die Erwerbslage ebenso schlecht. Der Nienborger Gemeinderat
schrieb 1832 in einer Petition an den preußischen König: „Schon seit Jahrhunderten
haben wir uns hier zu Nienborg einem kleinen Städtchen in Westfalen durch die Fabri-
kation eines groben Leinens ernährt und konnten solches theils in Euer Majestät Staa-
ten, theils in denen Sr. Majestät des Königs der Niederlanden absetzen. Jedoch hat
nun schon seit mehreren Jahren der Absatz dieses Fabrikats sowohl in den diesseiti-
gen als auswärtigen Staaten gestockt und zwar aus dem Grunde weil man in hiesigen
Landen dieses grobe Tuch nicht mehr tragen will, und in jenen Landen ein so hoher
Eingangs-Zoll darauf gelegt worden ist, daß nichts mehr daran kann verdient werden,
welches alles durch die hohen Preise der Wolle verschlimmert werden, daß nun leider
die ganze Fabrikation darnieder liegt, und vorerst nichts übrig bleibt, als unsere Exis-
tenz durch den Ackerbau zu fristen.“
„Der Ackerbau als
die Hauptnahrungs-
quelle des Regierungs-
bezirks ist fast der ein-
zige Erwerb der Bür-
germeisterey“, klagte
auch
Bürgermeister
von Plönies und wies
auf die „traurige Lage
des Landmanns und
überhaupt der hiesigen
armen Bürgermeiste-
rei“ hin, teils, „weil der
magere Sandboden,
bei der üblichen Kultur-
art und Plaggen-Wirt-
schaft viele Auslagen
erfordert und unbedeu-
tenden Reinertrag gibt,
theils weil das Leinen,
dieses Produkt hiesi-
ger Volksfabr ikat ion
seit den letzten Jahr-
zehnten weniger Ab-
satz findet, und im
Werte unter dem nied-
rigsten Fabrikations-
preis gesunken ist,
theils weil die sonst
seit undenklichen Zeiten das Städtchen Nienborg allein ernährende Piefabrikation
ganz durch unglückliche Conjuncturen, darniederliegt. Auch die Asiatische Cholera
trübt den Blick auf die Zukunft, indem sie [uns] von dem angrenzenden Holländischen
aus täglich bedroht, und nur etwa zwei Tagesreisen von hier entfernt ist.“
Dorfstraße in Heek, 1920er Jahre
(Foto: Klaus Wiethaup)
1...,64,65,66,67,68,69,70,71,72,73 75,76,77,78,79,80,81,82,83,84,...150
Powered by FlippingBook