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Eine Naturkatastrophe im Juli 1832 in Heek und Nienborg
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müßen und bitten denn im Vertrauen zu Euer Majestät Huld gehorsamst auch um Er-
lassung der Steuern“. Der Landrat riet jedoch davon ab, denn nicht jede einzelne Ge-
meinde sollte an den König appellieren, sondern nur die jeweiligen Bürgermeistereien.
Er selbst wollte dann die gesammelten Appelle an den König weiterleiten.
Am 9. August 1832 verfassten die Gemeinderäte von Heek und Nienborger eine
gemeinsame Petition mit folgendem Wortlaut:
Allerdurchlauchtigster König, Großmächtiger König und Herr!
Für die Eingesessenen der Bürgermeisterei Nienborg, welche ein ungewöhnliches Naturereignis al-
len Unterhalts beraubt, wagt der Gemeindevorstand Euer Majestät ihre hülflose Lage ehrfurchtsvoll vor-
zustellen, und die Königliche landesväterliche Gnade vertrauensvoll anzuflehen.
Der Ackerbau, als die Hauptnahrungsquelle des Regierungsbezirks, ist fast der einzige Erwerb der
Bürgermeisterei; die Kalamitäten, welche in den vorhergehenden Jahren den Ackerbau im Allgemeinen
trafen, lasteten vorzüglich schwer auf hiesige Bürgermeisterei; in dem vorhergehenden Jahre ward Rog-
gen als Hauptfrucht der hieisigen Getreidewirtschaft durch den Spätfrost so beschädigt, daß derselbe
kaum die Hälfte des gewöhnlichen Ertrages gab, und daß die Verlustsumme zufolge nach eidlicher
Abschätzung 13309 rthl betrug. In dem vor- vorigen Jahre /: 1830 :/ vernichtete die ungewöhnliche
Nässe einen großen Theil der Sommerfrüchte, und die gemähte Winterfrucht verdarb vor dem Ein-
scheuern auskeimend größtentheils; auch das Erndtejahr 1829 hatte nur einen geringen [Ertrag] gege-
ben, so daß seit drei Jahren nur Zufuhren aus den Ostengegenden das tägliche Brot gaben. Bei den
hohen Kornpreisen hatten die Eingesessenen statt Einnahmen von ihrem Gewerbe nur Ausgaben, und
nur Geldanleihen und milde Gaben haben sie bis hierhin erhalten, wo die nahe Erndte üppiger Früchte
das tägliche Brot vom eigenen Acker und einige Eingesessene zur Bestreitung der öffenlichten Lasten
verhieß.
Allein – diese gesegneten Früchte
sind nicht mehr; ein ungewöhnlicher
Hagel am 14ten Juli, wie anliegende
Bekanntmachung unseres Landra-
thes, welcher sich überall an Ort und
Stelle von der Verheerung überzeugte,
näher ergibt, vernichtete sämtliche
Flächen Ackerfrüchte, wirkte zerstö-
rend auf Häuser, Wiesen, Holzungen!
So wie Eltern am Abend ihres Lebens
händeringend an der Bahre des einzi-
gen Kindes stehen, worauf sie ihren
Ernährer, ihre Stütze für das alles ver-
loren haben, so stehen hiesige Land-
leute tiefgebeugt neben ihren vernich-
teten Fluren, welche sie ein ganzes
Jahr ernähren und die Verluste vorher-
gegangener einigermaßen ersetzen
sollten. …
So möge denn die dringendste
Noth die ehrerbietige, vertrauensvolle
Bitte rechtfertigen! Euer Majestät wol-
len huldreichst geruhen, den hiesigen
Eingesessenen, welche bis Septem-
ber 1833 gar keine Einnahmen haben, bis dahin die Grund- und Klassensteuer allergnädigst zu schen-
ken. Ferner die Bitte:
„Zur Abwendung der schrecklichen, bevorstehenden Hungersnoth eine Kollekte durch das König-
reich huldvoll zu gestatten und zu verordnen, auch gnädigst durch ein Gnadengeschenk die Unglückli-
chen zu erfreuen. Letztere Bitte wagen wir mit desto größerem Vertrauen, als den Unglücklichen an der
Weichsel eine ähnliche Wohltat zu Theil wurde, und hiesigen Provinz zufolge amtlicher Bekanntma-
chung einen Beitrag von 24900 Rthl. für dieselben zusammenbrachte.
Die durch das unerhörte Unwetter angerichteten Beschädigungen betragen hier zufolge spezieller
Abschätzung durch beeidigte Taxatoren 46277 Rthl, [nämlich für Nienborg ca. 16000 und für Heek ca.
30000 Rthl.] für beschädigte Früchte und den Rest an Scheiben, Pfannen, etc.], gewiß eine ungeheure
Summe in Rücksicht der traurigen Lage des Landmanns der hiesigen armen Bürgermeisterei. …
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