Kranke „Hollandgänger“ in der Bürgermeisterei Nienborg
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Paß“,
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gültig auf ein Jahr, ausgestellt, um
„Arbeit zu suchen, in den benachbarten Gemein-
den“
der Königlich Niederländischen Staaten. Der alte Pass des 43jährigen Korb- und
Wannenmachers, war abgelaufen gewesen, so dass eine Ersatzlegitimation beantragt
werden musste. Plönies hatte ihm dazu ein Attest ausgestellt, wodurch „er als unver-
dächtig legitimiert“ galt. Damit konnte Bröcker zwar reisen, musste sich aber bei der
„Polizei-Behörde nicht blos des Grenz-Ortes, sondern ohne Unterschied zwischen Stadt und
plattem Lande, eines jeden Orts“,
an welchem er länger als 24 Stunden verweilte, mel-
den.
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Von Plönies blieb kaum eine Wahl. Kranken und mittellosen Menschen wollte und
musste er beistehen, auch wenn dabei nicht unerhebliche Kosten anfielen. Jedes Jahr
kamen diese bemitleidenswerten Menschen in seine Bürgermeisterei und baten um
Hilfe. Er kannte das, es war seit Jahren immer das gleiche. Trafen sie morgens oder
bis zum frühen Nachmittag ein, wurden sie verpflegt und dann sogleich weiterbeför-
dert. Wenn sie am späten Nachmittag ankamen, blieben sie über Nacht und man fuhr
sie erst am kommenden Tag auf Karren zur nächsten Gemeinde.
Bürgermeister von Plönies ließ sich die Pässe der beiden Lippstädter zeigen, no-
tierte sich den Heimatort zu dem sie sich hinbegeben wollten und glaubte deren Ver-
sicherung, dass sie krank und mittellos seien, ohne jedoch ihre wirkliche Bedürftigkeit
genauer zu überprüfen. Diese Nachlässigkeit sollte ihm später eine Rüge der Königli-
chen Regierung einbringen.
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Danach beauftragte
er den Polizeidiener Her-
mann Grone, beide zu
dem Nienborger „Kran-
kenwärter“ Gerhard Hen-
rich Loesbrock zu brin-
gen. Dort wurden sie
verpflegt, über Nacht ge-
bettet und am nächsten
Morgen frühzeitig vom
beauftragten Fuhrwerks-
besitzer Depenbrock mit
einer Karre nach Schöp-
pingen gefahren, wo sie
dann die gleiche Proze-
dur durchzumachen hat-
ten, bis sie von Schöp-
pingen zum nächsten
Ort weitertransportiert
wurden.
Soweit kurz gefasst,
der Ablauf über Auf-
nahme und Weitertransport der durchreisenden kranken „Hollandgänger“. Was jedoch
scheinbar ein „Alltagsgeschäft“ zu sein schien, war in Wirklichkeit oft eine Tragödie,
ein unwürdiger Umgang mit den Kranken sowie ein Versagen der Behörden, sowohl
vor Ort als auch höheren Orts.
Liste der in Nienborg ankommenden kranken „Hollandgänger“,
darunter Hermann Heitmeier und Steffen Schwartze
(Ausschnitt)