D o r f g e s c h i c h t e n
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an unserer Schlafstube, sondern dazwischen liegt noch eine Schlafstube, wo 2 Mäd-
chen schlafen. Die Schlafstuben liegen alle nach dem Hof. Wir schlafen bei geschlos-
senen Fenstern und der offenen Tür.“
Amtmann von Twi-
ckel konnte mit solchen
Aussagen wenig anfan-
gen. Einen echten Be-
weis gegen den Schnei-
dermeister hatte er
nicht. Vielleicht, mag er
gedacht haben, könnte
es sich aber lohnen,
nochmals den Zimmer-
mann Johann Prinz un-
ter die Lupe zu nehmen,
der doch zugegeben
hatte, ebenfalls nasse
Füße bekommen zu ha-
ben, aber nach dessen
Aussagen weit weg
vom Steg über die Din-
kel. Seine wirren Proto-
kolläußerungen könn-
ten aber auch Selbstschutz gewesen sein. Echter oder vorgetäuschter Gedächtnisver-
lust? Oder waren auch die jungen Nienborger Burschen nicht ganz unschuldig? Zwar
ließ sich aus deren Aussagen wenig bis nichts, ableiten, doch stimmte das alles? Wa-
ren die mysteriösen unbekannten Steinewerfer vielleicht nur eine Erfindung der Bur-
schen gewesen, um auf die möglichen Zerstörer des Steges hinzuweisen? Viele Fra-
gen, die noch zu klären wären, wenn man denn wollte. Den Wirt Hartmann sowie den
Uhrmacher van Wüllen und seinen Gesellen ließ er hierbei außen vor. Er beauftragte
seinen Polizeidiener Kötte weitere Nachforschungen anzustellen, wobei auch ein mög-
liches Motiv zu einer solchen Tat mit beleuchtet werden sollte. All das jedoch noch
einmal neu aufzugreifen, würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Ob sich dann daraus
auch neue Anhaltspunkte ergeben würden? Vielleicht, doch sicher war das nicht.
Die vielen Fragen müssen leider offenbleiben, denn nichts davon enthalten die Ak-
ten. Amtmann Ignatz von Twickel scheute wohl diese mühevolle Kleinarbeit, denn er
schloss voreilig am 9. Juni 1906
die Akten mit dem Vermerk:
„Thä-
ter vorläufig nicht festzustellen“.
In
Nienborg aber werden die Ver-
dächtigungen und Gerüchte so
schnell nicht aufgehört haben. Hat
sie „dicht“ gehalten die „ver-
schworene Dorfgemeinschaft“?
Für den Leser jedenfalls ergibt
sich eine interessante Konstella-
tion, bei der es sich zu spekulie-
ren lohnt, wer am ehesten als Tä-
ter in Frage kommen könnte.
Dazu als Information noch einmal
alle beteiligten Personen.
Luftbild von Nienborg, 1956
(Repro GA Heek)
Beteiligte Personen:
In
der Wirtschaft waren:
Wirt Bernhard Hartmann
Uhrmacher Gerhard van Wüllen wohnhaft in Heek
Uhrmacher Carl Berenbrock, wohnhaft Gelsenkirchen, zur Zeit in Heek
Ackerer Hermann Benkhoff wohnhaft in Heek-Wichum und Bruder Bernhard
Zimmermann Johann Prinz, wohnhaft in Nienborg
Schneider Heinrich Lammers wohnhaft in Nienborg
Vor der Wirtschaft und auf der Straßen waren:
Schneidergeselle Heinrich Schmitz, wohnhaft in Nienborg
Bäcker Carl Rohling wohnhaft in Nienborg
Fabrikarbeiter Heinrich Tillmann genannt Loesbrock wohnhaft in Nienborg
Zimmermann Johann Prinz, wohnhaft in Nienborg
Maurer Heinrich Rüsweg z.Z. In Ni
en
borg
Es wurden sonst noch befragt:
Ehefrau Heinrich Lammers, Sophia geborene Hölscher
Schneiderlehrling Emil Wülling wohnhaft in NIenborg